Ein Spaziergang über die Insel Hermannswerder
Vom Potsdamer Hauptbahnhof nehme ich den Bus 693 und erreiche nach wenigen Minuten die Station am Eingang der Halbinsel. An frostfreien Tagen ist auch die Fähre vom Schillerplatz in der Brandenburger Vorstadt eine schöne Alternative. In nur wenigen Minuten überquert man von der Haltestelle „Auf dem Kiewitt“ mit der F1 die Havel nach Hermannswerder.
Die nach dem Potsdamer Fabrikanten Hermann Hoffbauer benannte Havelinsel liegt im Südwesten von Potsdam. Zur Zeit des Großen Kurfürsten, Friedrich Wilhelm von Brandenburg, gehörte die Halbinsel zum Großen Tiergarten. Hier stand einst die „Englische Lohgerberei“, eine spezialisierte Form der Gerberei von Rinderhäuten.
Im Jahr 1767 kaufte König Friedrich II. das Gelände der inzwischen Konkurs gegangenen Manufaktur und ließ ein neues Betriebsgebäude errichten.
Der Landschaftsarchitekt Peter Joseph Lenné stellte im 19. Jahrhundert Planungen an, die Halbinsel in die Potsdamer Parklandschaft zu integrieren. Dabei waren zunächst ein weiteres Prachtschloss namens „Belriguardo“ und später eine Badelandschaft geplant. Jedoch wurde nichts davon umgesetzt. Eine 1,2 km lange Trennmauer grenzte den Gutsbezirk Hermannswerder vom Potsdamer Besitz ab. Der Gutsbesitz umfasste damals 30 ha und gehörte dem Teppichfabrikantenehepaar Clara und Hermann Hoffbauer.
Ich passiere das 1894 aus roten Klinkern erbaute Wärterhäuschen am Eingangstor des Areals.
Auf königlichen Erlass wurde die von dem Ehepaar gegründete Hoffbauer Stiftung 1901 bestätigt. „Vermögen als Verpflichtung“ – diese Überzeugung veranlasste die Eheleute Hoffbauer, sich für ihre Mitmenschen zu engagieren. So entstanden auf dem Gelände nach und nach gemeinnützige Bauten, wie ein Krankenhaus, ein Altenheim, das Evangelische Gymnasium und ein Freizeit- und Wohnheim für Erwachsene mit körperlichen Beeinträchtigungen. Als eigenständige Kirchengemeinde bekam die Insel eine gotisch angehauchte Kirche und einen Friedhof.
Magisch zieht es mich auf meinem Spaziergang immer wieder gen Wasser. Ich stapfe durch den weißen Pulverschnee und gelange zu einer riesigen Eisfläche. Die Havel hat sich in ein Eismeer verwandelt. Ich genieße den Blick über die Havel zum gegenüberliegenden Ufer, wo ich die Fähre F1 umgeben von Eis erspähe. Sehr skurril wirkt dagegen der halb versunkene alte Katamaran an meinem Ufer.
Ich kehre zurück zum Weg und sehe den dominanten roten Wasserturm. In seiner Nähe befinden sich ein Wirtschaftsgebäude und eine Rotunde – ein kreisrunder Bau, der wie alle historischen Gebäude auf der Insel aus roten Klinkersteinen errichtet wurde. Umhüllt von einem weißen Schneemantel wirkt dieses entzückende Häuschen wie aus einem Märchen entsprungen.
Dem Rundweg folgend gelange ich zur Spitze der Insel. Am Horizont ragt über der Eisfläche majestätisch der Eisenbahndamm Templin heraus. Die Bäume am Ufer sehen mit ihrem Zuckerguss fast kitschig aus. An einer alten knorrigen Weide hängt noch eine rote Kinderschaukel vom letzten Sommer.
Mein Weg führt mich nun zu zwei beliebten Inselbewohnern: Esel Fritz und Pony Wilhelmine. Schläfrig aalen sie sich in der Sonne. Sie gehören quasi zum besonderen Inventar des Inselhotels, das malerisch am Ufer des Templiner Sees liegt. Am Steg des Inselhotels erinnert die vergessene Eiskarte im Schaukasten an den letzten heißen Sommer.
Wenige Meter vom Hotel entfernt befindet sich die Stiftungskirche, die Clara Hoffbauer als Mittelpunkt eines kraftvollen geistlichen Lebens erbauen ließ. Seither ist die Kirche für die Bewohner der Insel ein beständiger Anlaufpunkt.
Sehr informativ und übersichtlich sind die nummerierten Informations- und Orientierungstafeln an den markanten Punkten, die über die Insel leiten.
So erfahre ich, dass die Insel im April 1945 vor den Luftangriffen evakuiert werden musste. Bis 1991 wurde ein Teil der Gebäude als Militärlazarett genutzt und in den Folgejahren aufwendig restauriert und umgebaut. Bis heute dauern einige der Restaurierungsarbeiten an, aber auch der Neubau von Gebäuden ist auf der Insel zu beobachten.
Die Umrundung der Insel ist mit einer Länge von 3,5 km von jedem Spaziergänger gut zu schaffen. Durch die vielen Entdeckungen am Wegesrand und die spannende Geschichte, die hier in den Gebäuden steckt, ist es ein kurzweiliger und lehrreicher Ausflug. Ich komme bestimmt wieder.