Im Gespräch – Schauspieler Sebastian Stielke über die Filmstadt Potsdam

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Sebastian Stielke ist Schauspieler, Potsdam-Spezialist, Filmexperte und Autor. Nach dem Studium der Romanistik und Komparatistik an der Ruhr-Universität Bochum studierte er Schauspiel an der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ Potsdam-Babelsberg, der heutigen Filmuniversität Babelsberg. Er dreht für Film- und Fernsehproduktionen, spielt Theater und ist als Sprecher für Hörbücher tätig. Er lebt in Potsdam und engagiert sich vielseitig, um die Stadt in ihrer Rolle als bedeutenden Filmstandort zu stärken. Dabei ist er Mitglied im Team der „UNESCO Creative City of Film Potsdam“.

Im Gespräch – Schauspieler Sebastian Stielke über die Filmstadt Potsdam

2020 war für Schauspieler ein hartes Jahr. Du hast die Zeit genutzt, um ein Buch zu schreiben. Erzähl uns von deinem Projekt.

In der Tat brachte 2020 für uns alle eher ein unerwartet hohes Maß an Zuhausesein. Vor einigen Jahren schon kam die Idee in mir auf, für deren Umsetzung mir bisher jedoch die Zeit fehlte. Doch jetzt war der passende Moment dazu. Potsdam ist die Filmhauptstadt Deutschlands. In keiner Stadt vergleichbarer Größe entstanden in den letzten hundert Jahren mehr Produktionen für Film und Fernsehen als in Brandenburgs Landeshauptstadt. Zu der mehr als bemerkenswerten Filmgeschichte kommen Filmtourismus, Forschung, Ausbildung von Filmnachwuchs und vor allem eine sehr aktive und erfolgreiche Filmwirtschaft von kleinen Medienunternehmen bis hin zu den großen Filmproduktionen hinzu.

Die meisten wissen gar nicht, dass Erfolgsserien wie „Babylon Berlin“ oder „Dark“ in Babelsberg entstanden sind. Und zahlreiche Kinofilme. Es ist wenig bekannt, dass Alfred Hitchcock seine ersten Schritte als Regisseur in Babelsberg gemacht hat und dass der Countdown in Babelsberg erfunden wurde. Mit meinem Buch „100 FACTS ABOUT Babelsberg“ möchte ich den Film-Freak genauso erreichen wie den Film-Neuling. Der Verlag nennt das Buch „unterhaltend und verblüffend“. Wenn das erreicht ist, freue ich mich sehr.

Als Schauspieler in Potsdam, der Wiege des Films, zu leben – birgt das Vorteile?

Mehrere. Ich genieße es, nach getaner Arbeit am Set oder nach einem anstrengenden Tag im Tonstudio abzuschalten: beim Feierabendgetränk am Wasser, im Grünen oder in der barocken Innenstadt. Ein weiterer Vorteil sind die kurzen Wege: sei es zu Castings, Proben, Treffen oder zum Dreh in Potsdam, Berlin und Umgebung. Es war toll, schnell am Set der „SOKO Potsdam“ gewesen zu sein. Und Potsdam bietet an allen Ecken die Möglichkeit, nach anstrengenden Drehtagen wieder aktiv aufzutanken, ob kanufahrend oder in den Schlössern, Gärten, Museen, Kinos und im Theater. Sie bietet eine irre Fülle, unsere Stadt.

Findest du, die Stadt hat einen gewissen „Filmspirit“?

Natürlich „atmest“ du hier immer wieder Filmluft ein. Die Stadt hat wahnsinnig viele attraktive Motive, und die Landeshauptstadt macht es Filmemachern hier sehr leicht, was Drehgenehmigungen und Begleitung der Produktion angeht. Und das sieht man dann auch alltäglich im Stadtbild, wenn du durch Potsdam radelst und plötzlich auf Dreharbeiten stößt – ob in der historischen Mitte, in den unterschiedlichen Stadtteilen oder in den Parkanlagen. In der Medienstadt Babelsberg wimmelt es von Kreativen aller Bereiche, von Studierenden der unterschiedlichen Institutionen, von Machern.

Potsdam ist UNESCO Creative City of Film. Wie kommt die Stadt zu diesem Titel und was genau steckt dahinter?

Potsdam ist seit Oktober 2019 nach einer intensiven Bewerbungsphase Teil des Kreativstädte-Netzwerkes und die erste und damit einzige UNESCO-Filmstadt in Deutschland. Ziel des 2004 gegründeten Netzwerks ist es, die internationale Zusammenarbeit zwischen den Städten zu fördern sowie Kreativität und Kulturwirtschaft in den Mittelpunkt ihrer Entwicklungspläne zu stellen. Wir sind mit den anderen deutschen Kreativstädten in Kontakt, auch mit den anderen internationalen „Cities of Film“. Es findet ein Austausch zu bestimmten Themen, Problemen und Fragestellungen statt, beispielsweise „Was sind eure Projekte zum Thema nachhaltige Filmproduktion?“, „Woran wird gerade bei euch geforscht?“, „Was gibt es Neues bei…“ usw. Wir wollen uns vernetzen und voneinander lernen. Und wir wollen die Präsenz und Erlebbarkeit von Film vor Ort erweitern. Ein konkretes Beispiel ist der „Boulevard des Films“ der auf der Brandenburger Straße entsteht.

Wie kann man sich diesen vorstellen?

Die Brandenburger Straße wird in den kommenden Jahren eine neue Bepflasterung bekommen. Darin eingelassen werden Granitplatten, die die Aufmerksamkeit der Flanierenden auf das wichtige Thema Film in Potsdam lenken. Den „Walk of Fame“ in Los Angeles und den „Boulevard der Stars“ in Berlin kennt man. Dort werden einzelne Filmemacher geehrt. Der Ansatz hier ist es, dass zunächst 50 in Potsdam entstandene Filme, egal ob Blockbuster oder Arthouse, gewürdigt werden. Der „Boulevard des Films“ spiegelt die ganze Bandbreite des Filmschaffens in Potsdam wider : Von „Metropolis“, „Der blaue Engel“ sowie „Die Feuerzangenbowle“ über „Die Geschichte vom kleinen Muck“ oder „Die Legende von Paul und Paula“ bis zu „Sonnenallee“, „Inglourious Basterds“ oder „Bridge of Spies“.

Was würdest du Potsdams Gästen empfehlen, um in die Filmstadt Potsdam einzutauchen?

Wie schon erwähnt, gehören Dreharbeiten zum alltäglichen Stadtbild von Potsdam. Entweder man findet durch Zufall eben diese Dreharbeiten oder erlebt – eigenständig oder geführt – die Original-Drehmotive: das Holländische Viertel, durch das Claire Danes in der Serie „Homeland“ läuft oder die Treppe des Orangerieschlosses, die Matthias Brandt als Kaiser herunterging. Oder man sieht eben Keanu Reeves und Neil Patrick Harris, die „Matrix 4“ in Babelsberg drehten, am Otto-Braun-Platz Pizza essen. Die Filmstudios kann man natürlich als Außenstehender nicht besichtigen, dafür gibt es aber nebenan die Erlebniswelt des „Filmpark Babelsberg“ mit zahlreichen thematischen Attraktionen. In der Zukunft den oben genannten „Boulevard des Films“ ablaufen. Das Viertel der Stars, die Villenkolonie Neubabelsberg, erkunden… Auf jeden Fall empfehlen kann ich auch den Besuch der Ausstellungen im Filmmuseum Potsdam. Sehr interaktiv und anhand vieler Original-Requisiten aus Filmproduktionen erfährt man, wie die einzelnen Gewerke des Films arbeiten, was für eine bewegende Filmgeschichte wir haben und was für einen tollen Traditionsstandort mit Zukunft rund um das älteste Filmstudio der Welt: Studio Babelsberg. Und zur Vor- oder Nachbereitung kann ich da ein spezielles Buch empfehlen…
Mein Tipp: Bei der Führung „Und bitte!“ – Der Filmschauplatz Potsdam“ begibst du dich zu alten und neuen Original-Motiven und Drehorten in der historischen Mitte der Filmstadt. Potsdam-Kundige erzählen Geschichten zu Film- und Fernsehproduktionen, die in der Innenstadt gedreht wurden. Die Tour endet im Foyer des Filmmuseums, dessen Dauerausstellung „Traumfabrik – 100 Jahre Film in Babelsberg“ du im Anschluss besuchen kannst.

Filmmuseum Potsdam

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