Im Gespräch – Parkrevierleiter Sven Hannemann über die Orangerie im Park Sanssouci

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Hunderte Palmen, Agaven, Lorbeer- und Orangenbäumchen zieren im Sommer die Gärten von Potsdam. Spaziert man durch den Park Sanssouci, so fühlt man einen Hauch Frankreich und spürt die Italienlust. Die Sehnsüchte der Hohenzollern nach fernen Ländern und Kulturen spiegelt sich vielerorts wider – so auch in der Pflanzenwelt der weitläufigen Parkanlagen. Die mediterranen Gewächse trugen für Friedrich II., aber auch für die nachfolgenden Könige maßgeblich zur Entspanntheit und Exklusivität des Sommerrefugiums bei. Damit die sensiblen, an milde Temperaturen gewöhnte Pflanzen auch den Winter unbeschadet überstehen, ziehen diese in den kalten Monaten in die Orangerien, die von den preußischen Königen zu diesem Zweck errichtet wurden.

Das Ausfahren der Orangeriepflanzen den Park Sanssouci ist seit über 200 Jahren ein großes Ereignis: Mehr als 1.000 Kübelpflanzen müssen alljährlich Ende Mai aus den Überwinterungshallen des Orangerieschlosses in den Park gebracht werden. Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) lädt Besucherinnen und Besucher dazu ein, dabei zu sein, wenn die prächtigen Orangeriepflanzen von Sanssouci ihr Winterquartier verlassen.

Sven Hannemann, Dipl. Ing. (FH) für Landespflege und seit 2001 Mitglied der Architektenkammer als eingetragener Landschaftsarchitekt, arbeitet seit 2002 bei der SPSG und ist einer der drei Parkrevierleiter im Park Sanssouci.

Im Gespräch – Parkrevierleiter Sven Hannemann über die Orangerie im Park Sanssouci

Lieber Herr Hannemann, wie sieht Ihr Arbeitsalltag als Parkrevierleiter im Park Sanssouci aus? Was sind Ihre Hauptaufgaben?

Zu meinen Aufgaben zählen vor allem die Leitung und Führung eines bedeutsamen und historischen Parkbereichs einschließlich der Orangerie. Dazu kommen Planungsaufgaben zur gartendenkmalpflegerischen, gärtnerischen, technischen und künstlerischen Wiederherstellung und Pflege des historischen Gartens. Dies wird nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten dokumentiert. Auch für Öffentlichkeitsarbeit und Führungen bin ich zuständig – ein sehr abwechslungsreicher Beruf.

Der Park Sanssouci besticht durch eine große Pflanzenvielfalt. Wie ist diese entstanden? Und wer entscheidet darüber, welche Pflanzen in den Park einziehen dürfen und welche nicht?

Die Verwendung der Pflanzen im Park Sanssouci orientiert sich an historischen und denkmalpflegerischen Gesichtspunkten. Die Pflanzenverwendung ist dem Denkmalkonzept angepasst, welches den wichtigsten kulturhistorischen Zeitschichten im Park ausgerichtet ist: die Barockzeit und die des klassischen Landschaftsparks. Am prägendsten war wohl die Zeit von 1816 bis 1866, in der Peter Joseph Lenné als Gartenkünstler den Park mitgestaltete. Etwa 70 Prozent der Gartenanlage trägt seine Handschrift.

Wir sind sehr stolz darauf, dass wir heute noch in der Parkgärtnerei alle Frühjahrs- und alle Sommerblumen anziehen. Das sind immerhin 70.000 Frühjahrsblüher und 130.000 Sommerblumen. Die Fachbereichsleiter entwickeln aus den historischen Pflanzplänen die Pflanzlisten und -pläne und achten auf die fachgerechte Umsetzung und Pflege.
Aber auch die Gehölze erfordern eine große Pflege. Das sind im Park Sanssouci allein 26.000 Bäume. Leider macht uns diesbezüglich auch immer mehr der Klimawandel Sorgen. So gab es im Jahr 2018 nur 380 mm Jahresniederschlag in Potsdam. Die Folge war massenhaftes Absterben von Altbäumen. Allein im Jahr 2020 mussten im Park Sanssouci 250 gefällt werden. Um uns auf den Klimawandel einzustellen, erarbeiten wir für Teilbereiche der Parks spezielle Denkmalkonzepte. In Zukunft wollen wir wieder eine eigene Baumschule im Park betreiben, auch das ist eine Folge des Klimawandels.

Friedrich II. schuf sich für sein Sommerrefugium eine mediterrane Umgebung, die noch heute spürbar ist. Worauf legte der König bei der Bepflanzung besonderen Wert, wo inspirierte er sich und wie kamen die Pflanzen nach Potsdam?

Bei Friedrich II. galt die Prämisse, das Schöne mit dem Nützlichen zu verbinden. Das ist im Übrigen auch für jede eigene Gartengestaltung ein guter Planungsansatz. Schön und nützlich – das bedeutete, dass es sehr viel Obstkultur im Park gab, was natürlich auch gut für die königliche Tafel war. Nach wie vor wird auf den Terrassen vor dem Schloss Sanssouci Wein angebaut. In den Nischen der Talutmauer werden Feigen gezogen und in den Sommermonaten wird der Weinberg mit Citruskübeln komplettiert. Seitlich der Terrassen standen zu Friedrichs Zeiten Walnussbäume und Esskastanien. In den Heckenquartieren vor der Bildergalerie wuchsen Apfel- und Birnbäume. Wir sind gerade dabei, dies wiederherzustellen. Vor den Neuen Kammern standen und stehen wieder Kirschen, Maulbeeren wurden angepflanzt. Nicht umsonst heißt die angrenzende Parkstraße heute noch Maulbeerallee.

Nicht zu vergessen sind dann noch die beiden Weinberge: einer im Westen und einer im Osten der Anlage. Beide Weinberge sind restauriert worden und werden heute von Vereinen betreut.

Woher sich Friedrich II. seine Ideen holte, ist nicht eindeutig klar. Eine These ist, dass ihn die Klosteranlage Kamp-Lintfort mit ihrem barocken Terrassengarten inspirierte.

Im Winter ziehen die mediterranen Parkbewohner in die Orangerien. Ist dort Platz für alle Pflanzen oder gibt es noch andere Maßnahmen, um sie zu schützen?

Durch den Bau des Orangerieschlosses unter Friedrich Wilhelm IV. in den Jahren 1851 bis 1864 im Park Sanssouci ist eine der größten Orangerien nördlich der Alpen geschaffen worden. Das imposante Gebäude hat eine vielfältige Nutzung. Zwei Überwinterungshallen mit einer Größe von zweimal 1.600 m² Stellfläche ermöglichen die Überwinterung von ca. 1.000 Kübelpflanzen. Die Kübelpflanzenkultur wird seit der Zeit von Friedrich II. mit großer Akribie betrieben. Ein Orangerist mit zwei Gesellen wacht das ganze Jahr über das Wohl der Pflanzen.

Welches ist der älteste „Exot“ im Park und welches in Ihren Augen der Sehenswerteste?

Das ist eine schwierige Frage. Ich finde die über 100 Jahre alten Lorbeerkübel, die im Sommer am Neuen Palais aufgestellt werden, besonders sehenswert. Auch bei den Gehölzen fällt die Auswahl schwer, da es über 350 verschiedene Arten im Park gibt. Am interessantesten finde ich vielleicht die beiden alten Maulbeeren, welche noch in der Maulbeerallee zu finden sind. Sie sind über 250 Jahre alt.

Waren alle preußischen Herrscher gleichermaßen an exotischen Pflanzen interessiert?

Es galt zu jeder Zeit als Privileg, Pflanzen zu sammeln. Damit konnte man natürlich auch Macht ausdrücken. Diesen Umstand hat man sich zunutze gemacht und die Kultur von Kübelpflanzen sehr gewissenhaft in allen Zeiten betrieben. Seit der Grundsteinlegung vom Schloss Sanssouci 1745 ist man auch im Park Sanssouci mit der Kultur von exotischen Pflanzen beschäftigt. Vor dem Bau der Neuen Orangerie gab es bereits zwei andere Orangeriegebäude, welche teilweise ungenutzt blieben oder aber abgerissen wurden.

Die Parkanlagen sind einzigartige Gartenschöpfungen und wertvolle Naturräume. Der behutsame Umgang mit diesem Erbe war in der Vergangenheit nicht immer gegeben. Auch die regenarmen Sommer sind ein Problem. Welches sind die größten Herausforderungen, denen sich die pflegenden Gärtnerhände stellen müssen?

Unsere Aufgabe ist es, dieses Erbe für die Menschheit zu bewahren. Dafür brauchen wir Verständnis und Demut von allen Besucherinnen und Besuchern. In unseren Parkordnungen an jedem Eingang bitten wir alle, bewusst mit dem UNESCO-Kulturerbe umzugehen.

Natürlich macht uns der Klimawandel große Sorge. Trotzdem haben wir den Anspruch, den Park möglichst in einem guten, wenn nicht besseren Zustand an die nächste Generation zu übergeben. Um das umzusetzen, müssen wir uns anstrengen und nach neuen Wegen suchen. Ich bin da zuversichtlich, dass es gelingen kann. Ein richtiger Schritt ist zum Beispiel die Wiedereinrichtung einer Baumschule in den nächsten zwei bis drei Jahren. Auch die Erprobung von sogenannten Klimagehölzen gehört dazu und kann ein wichtiger Baustein sein.

Was macht aus Ihrer Sicht den Park Sanssouci besonders? Was sollten Gäste unbedingt gesehen haben?

Der Park ist als Synergie mit der Stadt zu verstehen. Die gesamte Insel Potsdam, so war der historische Plan, sollte ein Paradies werden. Vieles von diesen hohen Zielen kann man heute noch erleben. Sanssouci ist das Zentrum der Potsdamer Kulturlandschaft. Schauen Sie sich nur einmal die vielen Sichtbeziehungen an, die es in die Stadt gibt. Mein Tipp ist es, sich durch einen Besuch von einem Belvedere (vielleicht einem der beiden Orangerietürme) einen Überblick über Potsdam zu verschaffen und sich diesen Schatz von der Höhe aus anzuschauen.

Unser Tipp

Die Führung „Granatapfel-Spaziergang und Stadt-Genuss“ beleuchtet die Stadtgeschichte und folgt den Spuren des Granatapfels durch Potsdams Mitte. Spannende Anekdoten entführen in die Antike, ins Voltairezimmer Friedrichs des Großen, in die Medizin und die Welt der Literatur. Es warten Köstlichkeiten, die die Besonderheit dieser exotischen Frucht nachempfinden lassen.

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